Burgen, Schätze, Spukgestalten. Das große Sagen- und Geschichtsbuch der Zwickauer Mulde.
Chemnitzer Verlag. ISBN 3-928678-31-0

Die Sackwiese

Eine Wiese am rechten Ufer der Zwickauer Mulde trägt noch heute den Namen Sackwiese. Die Geschichte, der sie ihren Namen verdankt, ereignete sich vor vielen Jahren auf einem großen rittergutähnlichen Gehöft nahe der Schlagwitzer Kirche, daß einst der Zwickauer Familie der Edlen von Mergenthal gehört hatte und von einem vermögenden Bauern gekauft worden war.
Dieser Bauer und seine Frau zeichneten sich durch Geiz und Bosheit aus. Ihre Knechte und Mägde mußten bei schlechter Kost hart arbeiten und hörten dafür kein gutes Wort.
Nicht einmal zur Erntezeit stellte der Bauer, wie sonst Brauch, zusätzliche Dienstleute ein, sondern trieb sie mit groben Worten zur Arbeit an. Er legte es darauf an, daß sie vor Martini, dem Ablauf des Dienstjahrs den Hof verließen, damit er ihnen keinen Lohn zahlen müßte. Doch die meisten harrten bis zum Zahltag aus. Aber selbst dann bekamen sie nie den versprochenen Lohn, stets zog er davon noch etliches ab: für beschädigtes Gerät, zerbrochenes Geschirr, verendetes Zugvieh.
Doch noch schlechter fühlten sich Knechte und Mägde durch die Bäuerin behandelt. Sie gab ihnen nur karge, oft verdorbene Kost. Beklagte sich jemand über ihre dumpfigen Schrotsuppen und das Kleiebrot, beschimpfte sie ihn mit spitzer Zunge. Von Jahr zu Jahr trieb sie es ärger.
Da schmiedeten die Knechte einen Racheplan. Heute war Roßmarkt in Penig und der Bauer bis spät außer Haus.
Sie setzten sich zum Nachtmahl um den großen Tisch in der Gesindestube. Der Großknecht schob ein Bündel hinter sich auf die Wandbank.
Die Bäuerin brachte eine Tonschüssel mit muffiger Hafergrütze und stellte sie mürrisch auf den Tisch. Eine Magd langte mit dem Holzlöffel in die Schüssel und ließ den Brei wieder in die Schüssel fallen: "Gebt den Fraß den Säuen!", rief sie. Die Bäuerin höhnte: "Hättest du gearbeitet, tät dir auch der Fraß schmecken", und setzte zu weiteren Schimpfreden an. Doch da hatten die Knechte sie schon gepackt. Mit einer Quehle, also einem Handtuch, stopften sie ihr das Maul und fesselten sie an Händen und Füßen. Der Großknecht faltete sein Bündel auseinander - es war ein Hafersack. Sie steckten ihre boshafte Herrin hinein und banden oben zu.
Nun huckten die Burschen sie auf und trugen sie fort. Auf der finsteren Dorfstraße war um diese Zeit niemand mehr unterwegs. Da half der Bäuerin alles Wimmern und Stöhnen nichts.
Eigentlich wollten die Knechte sie in der Mulde ersäufen, so, wie sie das sonst mit jungen Hunden oder Katzen taten. Doch als sie mit dem Sack im Wasser standen, schlug ihnen das Gewissen und es graute ihnen vor der geplanten Tat.
So schleppten sie den Sack an einer seichten Stelle ans andere Ufer und legten ihn dort auf dem Rasen nieder.
Dann rannten sie zurück zum Gut, nahmen ihre Habseligkeiten und suchten gemeinsam mit den Mägden ihr Heil in der Flucht.

Der Bauer kehrte spät vom Roßmarkt zurück und fand Hoftor und Haustür offen. Er rief erst nach dem Großknecht, dann nach seiner Frau. Doch der Hof war menschenleer. Er weckte die Nachbarn...
Erst am nächsten Morgen wurde der pralle Hafersack am rechten Muldenufer entdeckt, und die Bäuerin befreit. Es dauerte ein paar Wochen, bis sie sich von dem ausgestandenen Schrecken erholt hatte.
Die Wiese jedoch heißt nach dieser Begebenheit bis auf den heutigen Tag die Sackwiese. Die Geschichte machte im Schönburgischen rasch die Runde. Und nun fand sich niemand mehr bereit, bei den geizigen Bauersleuten in Dienst zu treten. Sie mußten bald einen Acker nach dem anderen verkaufen und allmählich verfiel auch ein Teil der Gebäude und mußte abgetragen werden. So blieb von dem einst so stattlichen Gut nur eine kleine Bauernwirtschaft.